Ist die Türkei noch unser Partner? Das diskutierten die Gäste bei Maybrit Illner unter Hochspannung. Einer von ihnen drohte sogar damit, die Sendung zu verlassen. Der Aufreger es Abends: Linken-Politikerin Dağdelen vergleicht die Türkei mit Nazi-Deutschland.

Die Gäste

• Deniz Yücel, Journalist, Die Welt
• Mustafa Yeneroğlu, AKP
• Michael Wolfssohn, Historiker
• Sevim Dağdelen, Die Linke
• Sebastian Fiedler, Bund deutscher Kriminalbeamter
• Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

Das Thema

„Erdogans Rache – ist die Türkei noch unser Partner?“ wollte Maybrit Illner nach den umfangreichen Gegenschlägen des Staatschefs nach dem Putschversuch wissen. 65.000 Staatsbedienstete wurden entlassen, festgenommen oder suspendiert, es gilt der Ausnahmezustand. Wer hinter dem Putsch steckt, ist weiterhin unklar. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan macht die muslimische Organisation seines einstigen Verbündeten Fethullah Gülen dafür verantwortlich.

Die Fronten

Alle gegen Yeneroğlu – so hätte man die Sendung überschreiben können. Der AKP-Politiker verteidigte seinen Staatschef tapfer und nahm wie seine Kontrahenten kein Blatt vor den Mund. Hängen blieb aber selten ein Argument. Zum Beispiel versuchte er, den Ausnahmezustand zu relativieren, indem er darauf hinwies, Frankreich habe ihn ebenfalls verhängt. Yeneroğlu kämpfte verzweifelt gegen das Bild an, das zum Beispiel Journalist Yücel bemühte: „Erdogan ist das Mastermind hinter dem Terror!“

Yücel bezeichnete die politischen Gegner Erdogans als beliebig ausgewählt. Hätte er früher eher die Kemalisten für den Putschversuch verantwortlich gemacht, sei es jetzt eben die Gülen-Bewegung, die aufgrund ihrer intransparenten Organisation eine ideale Verdächtige sei. Aber auch an der Regierung Merkel ließ er kein gutes Haar: „Sie hat die demokratisch-liberalen Kräfte der Türkei schon zwei Mal verraten.“ Hätte sie es von Anfang an ernst gemeint mit den Beitrittsverhandlungen, hätte die EU die Entwicklung der Türkei positiv beeinflussen können.

Aufreger des Abends

Es war ein Talk-Abend mit reichlich Würze und gleich mehreren Aufregern. Unerbittlich prügelten die Gäste verbal aufeinander ein. Die Lage drohte endgültig zu eskalieren, als Dağdelen Erdogans Türkei quasi mit Nazi-Deutschland verglich. Diesen Vergleich zöge zwar nicht sie, sondern andere. „Aber wenn es einen Vergleich gibt, dann ist es das Dritte Reich.“ Yeneroğlu, höchst erbost, unterbrach fortan nur noch: „Sie verteidigen doch permanent die PKK!“ Ein Wortgefecht mit Yücel später drohte er sogar damit, die Sendung zu verlassen. „Ich gehe jetzt, wenn Sie mich nicht reden lassen!“

Moderatoren-Moment

Maybrit Illner hatte praktisch keine freie Minute – und alle Mühe, die durcheinanderplappernden und sich ins Wort fallenden Kontrahenten zu bändigen. Aber sie blieb immer auf Zack: Als Yeneroğlu sie persönlich angriff („Sie haben doch überhaupt keine Ahnung von der Situation in der Türkei!“), fragte sie keck zurück: „Soll ich jetzt vielleicht gehen?“

Moderatoren-Frage des Abends

„Warum verhängen wir Sanktionen gegen Russland, aber nicht gegen die Türkei?“, wollte Illner wissen. Gute Frage. Wolfssohn antwortete indirekt: Russland helfe den Europäern eben nicht dabei, den Flüchtlingsstrom zu begrenzen.

Tiefpunkt des Abends

Von steilen Thesen übersättigt, ging eine von Historiker Wolfssohn vollkommen unter: „Militärputsch ist nicht gleich Militärputsch.“ Man solle vorsichtig mit pauschalen Verurteilungen sein. Das klang deutlich so, als könne man seiner Meinung die Demokratie durchaus mal abschaffen, wenn einem das gewählte Staatsoberhaupt nicht so recht passt.

Fakt des Abends

Beeindruckend schilderte Polizist Sebastian Fiedler, wie weit der Arm Erdogans nach Deutschland reicht: „Ein Fingerschnippen von ihm reicht, um die Leute auf die Straße zu bringen.“ Erste Angriffe auf der Gülen-Bewegung nahestende Einrichtungen gab es bereits, ebenso Morddrohungen und Gewaltaufrufe. Bei politisch motivierten Auslieferungsgesuchen der Türkei gehe er aber davon aus, dass jeder Einzelfall von deutscher Seite geprüft – und negativ beschieden werde.

Was offen bleibt

Wer steckt hinter dem Putsch? Schafft Erdogan die Demokratie ab? Und was heißt das für Europa und Nahost? Sollte die EU auf Konfrontation oder weiter auf Kooperation setzen? Es bleiben viele große Fragen – und ein heißes Thema für künftige Debatten.

LG, der Schöpfung verpflichtet, “ET”

mailto:etech-48@gmx.de