
Direkte Fragestellungen zum BABS-I-Komplexsystem, persönliche Beratungen und Informationen „ET“
mailto:etech-48@gmx.de
Biene.info.2016@web.de
https://techseite.wordpress.com/
Nicht zum ersten Mal militärisch besiegt
Vor einem möglichen Wiedererstarken des IS warnt die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Internationale Politik“. Wie die Journalistin Susanne Kaiser in dem Blatt konstatiert, steht der IS nach der Rückeroberung der irakischen Stadt Mossul und des Großteils der syrischen Stadt Raqqa zwar vor einer umfassenden Niederlage. Es sei jedoch nicht das erste Mal, dass die Organisation militärisch besiegt werde. In der Tat sei schon ihr unmittelbarer Vorläufer, der Islamische Staat im Irak, in den Jahren bis 2010 ebenfalls mit Waffengewalt niedergerungen worden, habe sich dann aber die tiefgreifenden gesellschaftlichen Brüche im Irak zunutze machen können, um schon 2014 ein Comeback im großen Stil zu starten. Der aktuelle Krieg gegen den IS, an dem sich auch die Bundesrepublik beteiligt, vertiefe die gesellschaftlichen Gräben womöglich erneut, warnt Kaiser: Der Konflikt zwischen der schiitischen Mehrheit und der sunnitischen Minderheit sei nicht im Geringsten gelindert, sondern drohe sich durch teils mörderische Übergriffe schiitischer Milizen einerseits, die gesellschaftliche Verankerung sunnitischer IS-Sympathisanten andererseits noch mehr zu verschärfen; der kurdische Barzani-Clan bereite ein Abspaltungsreferendum vor, das die Spannungen mit der Regierung in Bagdad weiter anheize; und Minderheiten wie die Jeziden im Norden des Landes gerieten zwischen alle Fronten. „Zu viele Faktoren wirken im Nordirak zusammen, die jederzeit zu einem offenen Bürgerkrieg führen können“, stellt Kaiser fest. Profiteur wäre insbesondere der in den Untergrund gegangene Kern des IS, der die Chance zum erneuten Aufstieg erhielte.[1]
Interventionsfolgen
Dabei ist, wie Kaiser konstatiert, der „Nährboden, der die Gruppe“ – in den Jahren bis 2014 – „so schnell so stark wachsen ließ“, keineswegs nur im Irak und in Syrien nach wie vor vorhanden, sondern etwa auch in Ägypten und besonders in Libyen. Der IS sei stets in der Lage gewesen, „Machtvakuen, Instabilität und politische Frustrationen benachteiligter Bevölkerungsgruppen“ für sich zu nutzen. Kaiser weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf „unkalkulierbare Folgen“ westlicher Militärinterventionen hin.[2] Tatsächlich haben etwa die Kriege gegen den Irak und gegen Libyen die gesellschaftlichen Strukturen in beiden Ländern schwer geschädigt und erst die Bedingungen geschaffen, unter denen der IS erstarken konnte. Militärische Interventionen „sollten daher nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden und an die Bereitschaft geknüpft sein, in dem Land der Intervention, wenn nötig, auch Jahrzehnte zu bleiben und viel Geld in den Wiederaufbau der Infrastruktur und staatlicher Strukturen zu investieren“, fordert Kaiser. Allerdings ist es den westlichen Mächten zum Beispiel in Afghanistan sogar in 16 Jahren Besatzung nicht gelungen, die gesellschaftlichen Verwerfungen zu kitten, die die westliche Unterstützung für die Mujahedin ab 1979 sowie der Krieg des Jahres 2001 angerichtet haben: Am Hindukusch befinden sich nicht nur die Taliban auf dem Vormarsch, sondern mittlerweile auch der IS.[3]
Terror gegen Krieg
Wie die Internationale Politik darüber hinaus konstatiert, lässt der Krieg gegen den IS nicht nur die Ursachen für das Erstarken der Jihadisten unangetastet oder verstärkt sie womöglich gar. Er trägt zudem maßgeblich zur Ausweitung des jihadistischen Terrors in Europa bei. Dahingehend äußert sich in der Zeitschrift der Studienreferent für den Bereich des Bundeskanzleramts an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), Ulf Brüggemann. Brüggemann zufolge hat der IS zwar schon im ersten Halbjahr 2014 begonnen, vereinzelte Anschläge in Europa vorzubereiten. Allerdings habe er erst nach den ersten westlichen Luftangriffen auf sein Herrschaftsgebiet im Irak und in Syrien begonnen, Geiseln zu enthaupten und eine breite Terrorkampagne in den am Krieg beteiligten Staaten Europas zu entfesseln. „Im verbleibenden Jahr 2014 gab es bereits kleinere Übergriffe, die Welle der Anschläge und Anschlagsversuche im Westen setzte dann ab Januar 2015 ein“, stellt Brüggemann fest. Der IS selbst habe den Zusammenhang zwischen seinem Terror und den Bombardements der westlichen Mächte zudem in seinen Verlautbarungen ausdrücklich bestätigt. „In jedem Bekenntnis zu IS-Anschlägen findet sich der Hinweis auf die Luftangriffe der Anti-IS-Koalition“, erläutert Brüggemann, „zumeist mit der Formulierung, der Anschlag sei verübt worden als Reaktion auf die Aufrufe des IS, Zivilisten aus den Staaten der Anti-IS-Koalition anzugreifen.“ Auch die Publikationen des IS („Dabiq“, „Rumiyah“) stellten diesen Zusammenhang „immer wieder“ her.[4]
Mehr Anschläge
Brüggemann plädiert dafür, den Zusammenhang ernst zu nehmen: Es gehe „nicht um moralische Wertungen, sondern nur um die Frage des Zusammenhangs zwischen unserem Handeln und den Aktivitäten des IS“. „Eine Terrororganisation reagiert genauso auf unser Handeln wie wir auf das ihre“, schreibt der BAKS-Studienreferent: „Dies gilt insbesondere für eine existenziell so bedrohliche Maßnahme wie die Bekämpfung mit militärischen Mitteln.“ Wer sich aktiv am Krieg gegen den IS beteilige, werde seinerseits „ins Fadenkreuz geraten“: „Über diesen Zusammenhang müssen sich Politik und Gesellschaft im Klaren sein, wenn es um entsprechende Entscheidungen geht“.[5] Dies gelte umso mehr, als es sich um langfristige Folgen handeln könne; so sei zum Beispiel im Fall des IS damit zu rechnen, dass es auch nach der Zerschlagung des IS-Territoriums „in westlichen Städten … zu weiteren Anschlägen“ kommt.
Mehr Resilienz
Brüggemanns Feststellung lässt sich in zweifacher Richtung interpretieren. Wer dem Krieg gegen den IS zustimmt, wird sie als Empfehlung verstehen, sich auf unvermeidliche künftige Anschläge einzustellen und diese hinzunehmen, um den Krieg gegen den IS nicht zu gefährden. Die BAKS, für die Brüggemann arbeitet, hat kürzlich gefordert, eine Propagandakampagne zur Stärkung der „Resilienz“ (Widerstandsfähigkeit) der deutschen Bevölkerung gegen blutige Angriffe feindlicher Kombattanten zu organisieren (german-foreign-policy.com berichtete [6]).
Kontraproduktiv
Trifft allerdings die – von zahlreichen Experten geteilte – Auffassung Susanne Kaisers zu, dass der Krieg gegen den IS die gesellschaftlichen Brüche im Irak und damit die Ursachen für ein künftiges Erstarken des IS lediglich verstärkt hat, dann hätte die westliche Anti-IS-Koalition und mit ihr die Bundesregierung für einen womöglich kontraproduktiven Krieg nicht nur zahllose zivile Opfer [7] im Irak und in Syrien in Kauf genommen, sondern auch die erkennbar drohende Terrorgefahr im eigenen Land deutlich erhöht.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.